Hallo an alle,

knapp zwei Monate bin ich jetzt schon in Bolivien- kaum zu glauben, wie schnell die Zeit vergeht. Was am Anfang noch neu war, ist mittlerweile schon zu unserem Alltag geworden. Im Kindergarten habe ich mich auch schon richtig gut eingelebt und die Arbeit mit den Kleinen macht echt richtig viel Spaß. Jeden Morgen um 9 Uhr laufe ich zusammen mit Sophia in den Kindergarten „San Francisco de Asis“. Wenn es geregnet hat, müssen wir immer aufpassen, dass wir nicht auf der aufgeweichten Erde des Berges ausrutschen. Das ist gar nicht so einfach. Zurzeit regnet es nämlich echt oft. Wir befinden uns nämlich in einer Art Vorregenzeit, die meisten im Oktober ist.

Aus dem Kindergarten

Kindergartenkinder beim Spielen im Gruppenraum

Schon seit mehr als einem Monat gehen wir jeden Morgen von Montag bis Freitag in den Kindergarten. Hier werden die Kinder aber nur vormittags betreut und schon um 12 Uhr wieder von ihren Eltern abgeholt. Die ältesten der Kinder dürfen sogar schon alleine nach Hause laufen. Im Kindergarten gibt es insgesamt vier Gruppen. Anders als in Deutschland werden die Gruppen hier nach Alter aufgeteilt und nicht durchgemischt. Ich helfe im Moment in einer der beiden Vorschulgruppen (5-6-Jährige) mit, während Sophia in der Gruppe der 4-5- Jährigen ist. Neben diesen beiden Gruppen gibt es noch eine für die ganz Kleinen. Kindergärten in Bolivien sind nicht einfach nur dafür da, die Kinder zu betreuen und zu beschäftigen, sondern auch um die Kinder schon auf die Schule vorzubereiten. Die Erzieherinnen werden hier auch „profesora“ (=Lehrerin) genannt. Auch Sophia und ich werden von den Kindern meistens mit „profe“ angesprochen. Nach dem Frühstück dürfen die Kinder jedoch auch hier spielen gehen. Das machen sie am liebsten auf dem kleinen Spielplatz des Kindergartens. Sehr beliebt ist auch der Sandkasten, vor allem seitdem wir unsere aus Deutschland mitgebrachten Sandspielsachen in den Kindergarten mitgenommen haben. Vor den vier Gruppenräumen gibt es auch eine kleine Wiese mit einem Rutschturm. Allgemein ist der Kindergarten echt schön und farbenfroh. Die Wände wurden zum Beispiel von ehemaligen Freiwilligen mit schönen bunten Gemälden bemalt. Eine Wand ist noch grau, da werden sich dann Sophia und ich am Ende des Jahres an die Arbeit machen. Die Gruppenräume sind jeweils mit Tischen und Stühlen ausgestattet. Leider gibt es nicht wirklich viel Spielzeug. Und wenn dann ist es nicht mehr wirklich im besten Zustand. Aber wie gesagt, hier wird ja eher Wert auf das Lernen gelegt.

Vor allem in den Vorschulgruppen werden die Kinder schon sehr intensiv auf die Schule vorbereitet. Neben dem Erlernen von Zahlen und Buchstaben müssen die Kinder auch sehr viel Basteln. Den Kleber müssen die Kinder immer mit ihren Fingern aufs Papier streichen, was eigentlich immer eine riesige Sauerei gibt. Bei diesen kleinen Unterrichtseinheiten sitze ich meistens bei den Kindern und helfe ihnen ihre Aufgaben zu erledigen. Doch neben der Arbeit mit den Kindern unterstütze ich auch oft die Erzieherin meiner Gruppe, da die Aufgaben schließlich auch vorbereitet werden müssen. Da es keinen Kopierer gibt, musste ich schon häufiger Ausmalbilder für jedes Kind abmalen. Oft bereite ich auch die Arbeitshefte der Kinder vor. Buchstaben müssen mit Stempeln in die Hefte gestempelt werden, damit die Kinder diese dann abschreiben können. Nach der Unterrichtseinheit bereite ich zusammen mit der zweiten Kindergärtnerin das Frühstück vor. Es gibt meistens Obst, ein Brot und irgendein dickflüssiges Getränk, das aus größeren Eimern geschöpft wird. Nach dem Frühstück ist dann immer noch etwas Zeit zum Spielen. Wenn mich meine Erzieherin nicht für die Vorbereitung des nächsten Tages braucht, bin ich mit den Kindern meistens auf dem Spielplatz oder versuche ihnen ein paar einfache Spiele beizubringen. Außerdem lieben es die Kleinen zu Tanzen.

Der Spielplatz, leider sind die Schaukeln aktuell kaputt

Sehr viel getanzt wurde auch am letzten Feiertag hier. Am „Dia del estudiante“ – Tag des Schülers. Da die Kindergartenkinder hier auch schon wie kleine Schüler behandelt werden, wurde auch hier der Tag groß gefeiert. Am Vormittag sind alle in das kleine Stadion des Dorfes gegangen. Dort haben Lehrer, Schüler und auch Erzieherinnen Tänze aufgeführt und wurden von den Zuschauern kräftig bejubelt. Anschließend gab es im Kindergarten noch eine kleine Feier mit den Kindern. Es gab eine riesige Torte und nachdem wir uns alle die Bäuche vollgeschlagen hatten, wurde noch ganz viel getanzt. Den ohne Tanzen kann man hier kein Fest feiern. Es war echt beeindruckend wie schon die kleinen Kinder die komplizierten Tanzschritte beherrschen. Noch beeindruckender waren die Kleider der Mädchen. An Festtagen tragen diese nämlich schöne weiße Kleider. Auch die Jungen haben sich schick gemacht, mit Hemd und Krawatte. Wie an jedem bolivianischen Fest durfte natürlich auch Konfetti nicht fehlen.

 

 

 

 

 

 

 

Vor kurzem wurde im Kindergarten „Promito“ gefeiert. Das ist quasi die Verabschiedung der Vorschulkinder aus dem Kindergarten. Eigentlich war es nicht wirklich ein Fest, sondern eher ein Fotoshooting bei dem die Kinder mit Doktorhut und Mantel fotografiert wurden. Echt übertrieben, aber eigentlich auch ganz süß. Es kamen sogar einige Mütter und Geschwister, um zuzusehen wie ihre Kinder/Geschwister den „Kindergartenabschluss“ erhalten. Im Endeffekt haben sie nur dabei zugesehen wie ihre Kinder vor die Kamera gestellt und fotografiert wurden. Die Kleinen wussten dabei selbst nicht wirklich, wie ihnen geschah.

 

Doch neben den ganzen Unterrichtseinheiten haben wir mit dem Kindergarten auch schon kleine Ausflüge gemacht. Einmal haben wir eine kleine Wanderung unternommen auf einen nahegelegenen Berg. Ausgerechnet an dem Tag war die Sonne besonders stark und ich bin kaum den Berg hochgekommen. Liegt natürlich nur daran, dass ich als Deutsche die Höhe nicht gewöhnt bin 😀 Nebenbei musste ich auch noch aufpassen, dass die Kinder in ihren Reihen bleiben und nicht auf eigene Faust in die Büsche rennen. Nicht auf den Wegen zu bleiben finden die Kinder nämlich besonders toll. Das Ziel der Wanderung war eine Wiese mit einem kleinen Waldstück. Das war natürlich der perfekte Ort zum Spielen. Die Kinder haben es sogar geschafft einen Blätterhaufen anzuzünden – wenn man bei denen nicht gut aufpasst, kommen sie ziemlich schnell auf dumme Gedanken. Aber zum Glück ist nichts passiert und der Zündelei wurde schnell ein Ende gesetzt. Nachdem ausgiebig gespielt wurde, gab es noch ein großes Picknick. Es war unglaublich, was manche Kinder an Essen dabeihatten. Sie hatten nicht nur Kleinigkeiten wie Obst oder Kekse mitgebracht, sondern auch ganze Mahlzeiten mit Fleisch Kartoffeln und Reis.

Centro Social

Doch nicht nur im Kindergarten sind wir von Kindern umzingelt. Im Sozialzentrum helfen wir am Nachmittag manchmal in den Hausaufgabenräumen. Doch bei Aufgaben wie malen oder Texte abschreiben sind wir meistens keine große Hilfe. Wenn dann können wir mal bei den Englischaufgaben oder Mathesachen helfen. Da wir bei den Hausaufgaben meistens eher eine Ablenkung als eine Hilfe sind, haben wir am Nachmittag meistens Freizeit. Wenn die Kinder dann mit ihren Hausaufgaben fertig sind, versammelt sich meistens eine große Horde an Kindern vor unserer Tür. Die Kinder sind nämlich sehr begeistert von unseren mitgebrachten Spielen. Zusammen spielen wir dann Ligretto, Uno oder Memory bis zum Umfallen. Neben dem Kartenspielen, verbringen wir auch ziemlich viel Zeit auf der cancha (Sportplatz des Internats), um Völkerball oder Volleyball zu spielen. Unsere Wochenenden verbringen wir meistens mit Putzen oder Wäschewaschen. Das Waschen wird hier mit der Hand gemacht und danach sind meine Hände immer ganz wund. Da überlegt man echt gut, was wirklich in die Wäsche muss. Dumm nur, dass hier alles so schnell dreckig wird. Das Waschmittel ist irgendwie auch ziemlich ätzend, weshalb die Finger immer ganz rot und dick werden. Aber ich glaube an die Handwäsche werden wir uns irgendwann schon gewöhnen. Neben den ganzen Pflichten am Wochenende, gibt es trotzdem auch genug Zeit, um mit den Internatskindern zu spielen. Wenn sie denn überhaupt da sind. Wenn Freitag oder Montag ein Feiertag ist, gehen die Kinder nämlich übers Wochenende nach Hause zu ihren Familien. Dann ist es hier immer sehr ruhig und nur noch das Hauspersonal und die Schwestern sind im Zentrum. Doch trotzdem wird uns hier nicht langweilig, den auch die Schwestern und die Angestellten spielen sehr gerne Völkerball.

Unsere Wäsche beim Trocknen, im Hintergrund die Mädchenschlafsäle

Unsere erste Wanderung in den Anden

An solch einem ruhigen Wochenende hatten Sophia und ich auch schon Zeit, um ein bisschen Wandern zu gehen. Ausgerüstet mit Sonnenhut und Regenjacke für alle Fälle, sind wir dann losgegangen, um auf einen der nächstgelegenen Berge zu wandern. Was von unten ganz machbar aussah, hat sich dann als echt steil herausgestellt. Unter der Höhensonne war vor allem das erste Stück echt anstrengend. Doch umso höher wir kamen, um so windiger wurde es. Oben am Gipfel angekommen, wurden wir sogar von einem kleinen Regenschauer überrascht. Doch zu unserem Glück hielt der nur für fünf Minuten an und wir konnten eine kleine Essenspause mit Blick auch Independencia machen. Das sah von oben wirklich sehr beeindruckend aus. Auf dem Rückweg wollten wir dann einen neuen Weg ausprobieren und haben größere Risse in der Erde entdeckt. Diese Spalten waren ziemlich tief und haben sich perfekt dafür angeboten, um ein bisschen rum zu klettern. Das hat echt Spaß gemacht. Nur leider sind wir durch unsere Kletterei ein wenig vom Weg abgekommen und standen dann mitten im Gebüsch. Noch dazu mussten wir eine kleine Schlucht überqueren, um zum Weg zurückzufinden. Doch als wir die Schlucht überquert hatten, war da leider auch kein Weg. Mitten durchs Dickicht sind wir dann den Berg runtergelaufen. Aus Erzählungen haben wir gehört, dass es hier auch Schlangen geben soll, weshalb wir dann immer schön geschaut haben, wohin wir unsere Füße setzen. Aber außer einer großen Heuschrecke haben wir nichts Außergewöhnliches gesehen. Und irgendwann sind wir dann auch wieder auf den Weg gestoßen und konnten unsere Wanderung beenden.

Im Hintergrund ist Independencia zu sehen

Pacha Mancha

An einem anderen Wochenende wurde hier im Sozialzentrum ganz traditionell gekocht. Die Kochtechnik nennt sich Pacha Mancha und wird vor allem in ländlich geprägten Gegenden verwendet, um zu kochen. Hier ist es eher eine Besonderheit, wenn wie auf dem Land gekocht wird. Angeblich soll der Geschmack außergewöhnlich und viel besser sein als beim normalen Kochen auf dem Herd. Als Vorbereitung für Pacha Mancha musste ein circa ein Meter tiefes Loch gegraben werden. Auf diesem Loch wird dann ein Feuer gelegt. Doch nicht nur mit Holz, sondern auch mit Steinen. Wenn das Feuer heiß genug ist, explodieren die Steine und das Holz fällt ins Loch. Dann wurde das Fleisch in eine Metalltruhe in das Loch gelegt und Drumherum die anderen Lebensmittel: Bohnen, Kartoffeln und Erbsen. Anschließend wird das Loch wieder zu gebuddelt und dann muss gewartet werden. Nach kurzer Zeit kann dann das Essen wieder ausgegraben werden. Und es schmeckt wirklich sehr sehr gut. Die Kartoffeln ein wenig wie Lagerfeuerkartoffeln und der Rest hat einen etwas rauchigen Geschmack, der aber echt fantastisch ist. Ich freue mich schon aufs nächste Mal, wenn so gekocht wird!

           

Auf der Ladefläche durch die Anden

  1. Mit unserem Visum hat mittlerweile auch alle geklappt! Wir mussten dann zwar nochmal nach Cochabamba fahren, weil wir einen Ausänderausweis beantragen musste, doch die Fahrt war echt schön. Wir konnten bei Schwester Verena, die zum Zahnarzt musste, mitfahren. Da im Jeep kein Platz mehr war, da noch mehr Leute bei ihr mitgefahren sind, durften wir auf der Ladefläche mitfahren. Das war echt schön und die Aussicht war echt fantastisch. Wir hatten auch echt Glück mit dem Wetter. Zum einen hat es nicht geregnet und zum anderen hat so schön die Sonne geschienen, dass wir auf den hohen Pässen nicht gefroren haben.

                     

Wahlen

Heute waren Präsidentschaftswahlen in Bolivien. Insgesamt gibt es neun Kandidaten, die gewäht werden können. Unter ihnen auch Evo Morales, der schon seit 15 Jahren Präsident Boliviens ist. Mit sehr großer Wahrscheinlichkeit wird er auch wiedergewählt. Anders als in Deutschland gibt es in Bolivien eine Wahlpflicht. Wählen ist nicht freiwillig und diejenigen, die nicht zur Wahl gehen, werden erhalten dafür auch Bestrafungen. Sie können dann zum Beispiel für drei Monate kein Geld abheben. Drei der hier lebenden Schwestern mussten zum Wählen nach Cochabamba gehen, weil sie dort eingeschrieben waren. In Independencia konnte man in der Schule wählen gehen. Wir haben dort dann auch kurz vorbeigeschaut. Vor der Schule waren ganz viele Essens- und Getränkestände, da viele Leute auch von weiter abgelegenen Gebieten gekommen sind und einen weiteren Anreiseweg hatten. Allgemein war heute ziemlich viel los im Dorf. Aus Cochabamba haben wir gehört, dass es einige Straßenblockaden und Unruhen aufgrund der Wahlen gab, doch davon haben wir hier nichts mitbekommen. Die neuesten Wahlergebnisse zeigen, dass es für Evo doch nicht so gut steht, wie anfangs gedacht. Bis jetzt hat er zwar die meisten Stimmen, muss aber mindestens 10% Abstand zum zweiten Kandidaten haben. Im Moment liegt ihm noch Carlos Mesa dicht auf den Fersen. Mal schauen, wie es weiter geht. Vielleicht wird es doch nochmal spannend und es kommt im Dezember zu einer Stichwahl zwischen den beiden.

Bald ist Allerheiligen, das wird hier ganz besonders gefeiert und Anna und Nadja, die beiden Freiwilligen aus Cochabamba werden uns besuchen kommen. Darauf freue ich mich schon richtig. Ich werde euch natürlich auch von diesem besonderen Fest berichten.
Liebe Grüße aus Independencia
Amelie