Hallöchen,

wie in meinem letzten Blogeintrag versprochen, kommt jetzt mein Bericht zu Allerheiligen! Außerdem gibt es neues aus dem Projekt, da wir nun am Nachmittag in der Puerta Abierta arbeiten.

Todos Santos- Allerheiligen

Allerheiligen wird in Bolivien ganz besonders gefeiert. Aus Deutschland kennt man das Fest als eher traurige Angelegenheit. Doch hier wird ganze drei Tage gefeiert und das mit ganz viel Freude, Essen und Chicha. An Todos Santos freut man sich in Bolivien, dass man  seine verstorbenen Angehörigen kennenlernen durfte und dass diese nun im Himmel sind. Angefangen hat das Fest schon am Donnerstag mit den ersten Vorbereitungen. Hier im Sozialzentrum sind alle Kinder an diesem Tag zu ihren Familien gefahren, um das Fest mit ihren Verwandten zu verbringen. Die Schwestern und das Hauspersonal hingegen, haben Unmengen an Keksen, süßem Brot und andere Leckereien zu backen. Am Freitag war dann der erste Feiertag, der dazu dient an die Verstorbenen zu denken. Es ist Brauch, dass jede Familie einen Tisch in ihrem Haus deckt. Auf den Tisch kommen alle Speisen, die verstorbene Angehörige gerne gegessen haben. Auf den Tischen finden sich neben dem ganzen Essen auch Fotos, um sich an die Verstorbenen zu erinnern.

Ein Teil der Kekse, die für Todos Santos gebacken wurden

Im Sozialzentrum durften Sophia und ich Hand anlegen und den Tisch vorbereiten. Neben dem ganzen Brot, dienten von uns geschnittene Blumen, kleine Fähnchen, Kerzen und Kränze als Schmuck. Am Ende war der Tisch ziemlich voll und wurde noch mit einer Liste von allen Verstorbenen, die etwas mit dem Zentrum zu tun hatten, ergänzt. Nach dem wir den Tisch fertig gedeckt hatten, wurde unsere Dekoration von den Schwestern nochmal verbessert. Anscheinend war es ihnen zu schlicht. Das bolivianische Schönheitsideal ist eben anders 😀                               Bis zum Mittagessen hatten wir alle Hände voll zu tun, um bei den Vorbereitungen zu helfen. 

 

                   

Da wir Besuch aus Cochabamba erwarteten, sind wir dann gegen 12 Uhr runter ins Dorf, um diesen zu empfangen. Unsere Freunde aus Cochabamba wollten naemlich ueber Allerheiligen nach Independencia kommen. Anna und Nadja (die beiden Freiwilligen aus Cochabamba), unsere Mentorin Doris und Marco, ein Bolivianer, der letztes Jahr seinen Freiwilligendienst in Deutschland gemacht hat und den wir an einem unserer Vorbereitungsseminare schon in Deutschland kennenlernen durften. Es war wirklich ein Wunder, dass die vier überhaupt kommen konnten. Aufgrund der Wahlen ist nämlich zurzeit in den größeren Städten des Landes die Hölle los. Aufgrund vieler Blockaden und Demonstrationen ist der Verkehr stark eingeschränkt. Trufis und Taxis fahren nicht mehr und aufgrund der Gewalt auf den Straßen sind die Schulen und Universitäten überwiegend geschlossen. Wichtige Verkehrswege sind blockiert und Markthallen geschlossen. Die Leute gehen aus den unterschiedlichsten Gründen auf die Straße, es gibt schon unzählige Verletzte und auch schon ein paar Tote. Doch da es so viele unterschiedliche Meinungen gibt, ist es schwierig eine Lösung für alle zu finden. Viele demonstrieren, da sie sicher sind, dass bei der Wahl betrogen wurde. Andere fordern Neuwahlen bzw. Neuauszählungen der Stimmen. Doch an Allerheiligen hatte sich die Lage ein wenig beruhigt und unser Besuch ist dann zum Glück gut angekommen. Zwar mit ein bisschen Verspätung, aber wir waren froh, dass sie überhaupt kommen konnten. Nach dem gemeinsamen Mittagessen haben wir erstmals einen kleinen Rundgang in Independencia gemacht und das Sozialzentrum gezeigt. Am Abend gingen dann die Festlichkeiten mit einer Messe am Friedhof los. Ganz bolivianisch hat die Messen mit einer Stunden Verspätung angefangen. Der Friedhof hier erinnert nicht wirklich wirklich an einen Friedhof. Er sieht eher aus wie ein kleines Dorf, da hier jede Familie ein Welldachhüttchen hat , das als Grab dient. 

Der Friedhof

 

 

Wie in Deutschland standen auch an diesem Tag die Familien an den Gräbern ihrer Verwandten. Nach der Messe sind wir dann noch durch den Friedhof gelaufen und wir wurden von ein paar Familien darum gebeten, für ihre Verstorbenen zu beten. Das ist hier Brauch und nach dem Beten bekommt man dann eine Kleinigkeit als „Belohnung“. An diesem Abend haben wir ein warmes Milchgetränk bekommen, dass echt lecker war. Doch das eigentliche Fest ging erst am Samstag los. Wohingegen der Freitag das Fest der Toten war, wurde am Tag darauf das Fest der Lebenden gefeiert. Am Vormittag war wieder eine kleine Messe am Friedhof und am Nachmittag dann die Feierlichkeiten. Alle Gräber wurden richtigschön hergerichtet. Neben Blumen, Kränzen und Fähnchen, hat man auf den Gräbern hauptsächlich Essen aufgefunden. Und dann ging das Beten los. Wie am Abend zuvor, konnte man an diesem Tag von Grab zu Grab gehen, um für die Verstorbenen zu beten. Jeweils drei Ave Maria und drei Vater Unser. Nach jedem beendeten Gebet, haben wir Gebäck oder Chicha erhalten. Chicha ist eine Art Maisschnaps und wird hier aus Holzschalen getrunken. Doch bevor man trinkt, darf man nicht vergessen ein bisschen an Mutter Erde abzugeben. Pacha Mama wird dieser Brauch hier genannt. Deshalb wird hier vor dem Trinken immer ein Schlückchen auf den Boden geschüttet. Dieser Brauch hat uns dann davor bewahrt, zu viel von dem Zeug abzubekommen. Gegen Ende wurde unsere Gabe an die Erde dann auch immer größer. Mit Tüten voller Obst und Brot und vollen Bäuchen sind wir dann ein wenig verspätet zum Abendessen ins Zentrum zurückgekehrt. Jetzt haben wir nicht nur für die nächsten Wochen Essen, sondern können auch einwandfrei auf Spanisch beten.

Unsere Ausbeute

 

Doch das war’s noch nicht mit Allerheiligen. Am Sonntag ging es weiter mit dem Schaukeln. An großen Bäumen etwas außerhalb von Independencia wurden riesige Schaukeln aufgehängt. Angeschubst wurde man mithilfe von zwei Seilen, die jeweils an der Schaukel befestigt wurden. Doch das Schaukeln ist nur für die Frauen, die Männer hingegen müssen anschubsen. Das Schaukeln ist ein Symbol dafür, dass man dem Himmel und somit auch den Verstorbenen näher ist. Und ich muss sagen, es hat echt Spaß gemacht! Es war so toll mit dem Blick auf die Berge und so hoch. Hat sich angefühlt als würde man Fliegen. Am Nachmittag mussten wir unseren Besuch aus Cochabamba auch schon leider wieder verabschieden. Das Wochenende war echt schön und ging viel zu schnell vorbei. Irgendwann in der Nacht sind Anna, Nadja, Doris und Marko dann zum Glück auch gut in Cochabamba angekommen. Die Art und Weise wie hier Allerheiligen gefeiert wird, hat mich echt beeindruckt und die ganzen Bräuche sind echt interessant. Und wir haben jetzt auf jeden Fall für die nächsten Wochen ziemlich viel zum Essen. Keine Ahnung wer das alles essen soll, aber die Kinder aus dem Zentrum helfen uns bestimmt.

 

Am Montag gab es dann nochmal ein Fest auf dem neugebauten Spielplatz von Independencia. Dort wurde auch eine Schaukel aufgebaut und man konnte beim Schaukeln Körbe, die mit Eier gefüllt waren, fangen. Die Körbe waren an einem Bogen gegenüber von der Schaukel befestigt. Neben dem Schaukeln gab es mal wieder ganz viel Chicha, Essen, Musik und Tanz.

Aniversario de Independencia

Ich glaube wir kommen aus dem Feiern gar nicht mehr raus. Zwei Tage nach Allerheiligen ging es nämlich mit dem Gründungsfest von Independencia weiter. Und das wurde echt groß gefeiert. Über drei Tage lang. Es ging los am Mittwoch mit Vorführungen im kleinen Stadion. In vier verschiedenen Kategorien: Poesie, Gesang, Tanz und Theater haben sich 10 Schulen aus dem Umkreis gemessen. Eine Jury hat die einzelnen Gruppen bewertet und konnte so am Ende einen Gewinner feststellen. Da wir vormittags im Kindergarten arbeiten, konnten wir nur am Nachmittag die Theaterstücke anschauen. Und ehrlich gesagt war das nicht soooo spannend. Zum einen waren die Stücke alle auf Quechua und zum anderen haben die Bolivianer echt einen komischen Humor. Die Darbietungen handelten meistens von Betrunkenen, die dann durch die Halle getorkelt sind oder jemand ist gestorben. Man muss sagen, die Schüler sind zum Teil echt talentierte Schauspieler, aber besonders abwechslungsreich waren die Stücke nicht. Die Bolivianer habens trotzdem mega gefeiert, während Sophia und ich eher mit unserem Popcorn beschäftigt waren.

   Theater im Stadion

Nach dem Abendessen wurde es dann aber spannender. Da haben nämlich die Tanzaufführungen begonnen und die waren echt gut. Jede Tanzgruppe hatte auch ihr eigenes „Orchester“ dabei, das aus Trommeln und den verschiedensten Flöten bestand. Die Männer trugen bunte Ponchos mit ganz vielen Mustern und dazu voll die lustige Zipfelmütze, die genauso wie der Poncho ganz bunt gemustert war. Die Frauen waren ganz traditionell in ihren Polleras gekleidet. Und die Vorstellungen waren echt krass. Irgendwie können auch echt alle Bolivianer gut tanzen.

Tanzaufführung

Am nächsten Tag ging das Fest dann auf dem Dorfplatz weiter. Es wurde eine Bühne aufgebaut und die verschiedensten Musikgruppen sind aufgetreten. Es wurde natürlich so wie immer ganz viel getanzt und die Leute waren in bester Laune.

Am Freitag, den 08.11. ist der eigentliche Gründungstag von Independencia. Der Festtag begann mit einer Messe und anschließend wurde wie an jedem besonderen bolivianischen Fest marschiert. Neben den Schulen und Kindergärten von Independencia sind die verschiedensten Vereine und Gruppierungen mitmarschiert. Auch Sophia und ich waren natürlich wieder eingespannt. Mit dem Kindergarten und danach auch mit dem Personal des Sozialzentrums durften wir mitmarschieren. Bei den Märschen merkt man echt, dass Bolivien ein alter Militärstaat ist. Bis wir genauso leidenschaftlich marschieren können wie die Bolivianer dauert glaube ich noch ein bisschen. Aber hier wird es ja noch genügend Gelegenheiten geben, um das zu üben. So viel wie hier gefeiert wird… Am Nachmittag wurde dann auf dem Dorfplatz weiter gefeiert. Natürlich wieder mit Musik und Tanz.

                

Puerta Abierta

Wir haben jetzt auch endlich eine Beschäftigung am Nachmittag. Denn seit ungefähr zwei Wochen dürfen Sophia und ich in der Puerta Abierta (Offene Türe) arbeiten. Die Puerta Abierta dient als Freizeitbeschäftigung und ist für alle Kinder des Dorfes. Die Räume sind echt groß und gut ausgestattet. Es gibt viele Brettspiele und Puppen. Außerdem gibt es einen sehr kleinen Garten mit einer Tischtennisplatte und einem Kicker, welches aber nicht mehr ganz so funktionsfähig ist. Leider kommen aber nicht sehr viele Kinder. Meistens sind es so zwischen drei und zehn Kindern, die kommen. Trotzdem finde ich es schön, dass es diese Möglichkeit für die Kinder gibt und es freut mich auch, dass wir dort auch unsere eigenen Ideen mit den Kindern durchführen können. Gegen Weihnachten wollen wir zum Beispiel eine Lebkuchenhausbackaktion durchführen und für nächste Woche haben wir uns auch schon ein paar Bastelideen überlegt.

Also bis bald,

Eure Amelie 🙂