Liebe Grüße aus Independencia!

Ich melde mich ich mal wieder, denn in letzter Zeit ist hier ganz schön was passiert!

Erstmal haben anfang Dezember die Sommerferien bzw. Weihnachtsferien hier in Bolivien angefangen. In zwei Monaten geht dann die Schule wieder los. Die Zeit kurz vor den Ferien war richtig schön, weil es einfach so viel zu sehen gab. Hier ist es üblich, dass die Schulen kurz vor Schuljahresende Ausstellungen machen, in denen man alle Arbeiten der Schüler sehen kann. Jedes Klassenzimmer wird richtig schön hergerichtet und mit den Arbeiten der Schüler dekoriert. Teilweise sind die Zimmer auch nach bestimmten Themen geordnet. Zum Beispiel Arbeit mit Wolle (Häkeln, Weben, Stricken) oder Kunst. Besonders beeindruckend fand ich die Tischler- und Schreinerarbeiten der Jungen. Neben Tischen, Stühlen und Bänken, haben die Jungen auch Betten, große Schränke und Regale das ganze Jahr über gemacht. Das nenne ich mal Praxisorientierten Unterricht. Wer kann in Deutschland schon behaupten, dass er sein eigenes Bett bauen kann. Das Gymnasium in Independencia legt ziemlich viel Wert auf Praxis. Am Nachmittag haben die Schüler ihre sogenannten „Labores“ (Handarbeit). Es gibt drei Bereiche, in denen die Schüler aktiv sein können: Arbeit mit Stoff, Holzarbeit und Informatik. Dabei kann man je nach Begabung entscheiden, auf welchen Bereich man sich spezialisieren möchte. Hier lernen die Schüler wirklich nützliche Sachen, die in ihrem weiteren Leben sehr behilflich sein werden. Auch die ganzen Häkel- und Näharbeiten sahen richtig professionell und wunderschön aus. Die Steigerung zu einfachen T-shirts, Röcken und Strickpullover waren dann lange Abendkleider und wunderschön bestickte Blusen. Sowas würde ich auch gerne können… Und die ganze Mühe, die sich die Schüler für die Dekoration und die Herrichtung der Ausstellungsräume gegeben haben, ist wirklich bewundernswert. Teilweise hat man sich wie in einem Museum oder einer Kunstausstellung gefühlt und es hat echt Spaß gemacht durch die Räume zu schlendern. In den verschiedenen Räumen wurde uns dann auch immer Essen und Trinken angeboten, was die Schüler ebenfalls für ihre Besucher vorbereitet hatten.

Schreinerarbeiten der Schüler

Kunstausstellung

Selbstgemachte Charangos

Doch nicht nur die Schulen haben dieseE xpositionen vorbereitet. Auch in unserem Kindergarten hatten wir eine kleine Ausstellung für die Eltern der Kinder. Unsere drei Gruppenräume haben wir in kleine Ausstellungsräume verwandelt und alle Basteleinen, Arbeitshefte der Kinder auf den Tischen ausgebreitet. Ganz stolz haben dann die Kleinen ihren Eltern gezeigt, welche Sachen sie über das Jahr gemacht haben.

Doch der eigentliche Jahresabschluss folgte dann knapp eine Woche nach der Exposition: Die „Clausura“ (Abschluss). Dieser Tag dient vor allem dazu sich von den ältesten Kindern des Kindergartens zu verabschieden. Sie erhalten an diesem Tag auch eine Art Zeugnis, das als Bestätigung für den Besuch der Einrichtung zählt. Neben der Verabschiedung der ältesten Kinder, hat auch jede Gruppe einen eigenen Tanz aufgeführt. Zu einem authentischen Tanz gehört natürlich auch das passende Kostüm. Die Tage vor der Clausura haben wir dann vor allem mit Tanzen üben und Kleideranprobe verbracht. Meine Kindergartengruppe hätte auf jeden Fall noch mehr Zeit gebraucht, um den Tanz einzustudieren, aber auch wenn der Tanz eigentlich überhaupt nicht geklappt hat, sahen sie einfach zu süß aus, wie sie da verwirrt in ihren Kostümen rumstanden und nicht wussten, was sie machen sollen. Nach dem offiziellen Teil gab es noch ein Abschlussessen mit den Großen und ihren Eltern. Es war zwar ein bisschen eng mit allen Eltern und Kindergartenkindern im Gruppenraum zu sitzen und die Stühle hätten fast nicht gereicht, aber es war dann trotzdem ganz gemütlich und lecker. Die Veranstaltung ging dann relativ schnell zu Ende und wenn man den ganzen Aufwand anschaut, den wir für die paar Stunden hatten, ist das echt verrückt. Das ganze Wochenende vor der Verabschiedung waren wir eigentlich nur im Kindergarten, um die Dekoration für diesen einen Tag vorzubereiten. Auch unter der Woche sind wir jeden Tag länger geblieben, um noch alles für die Clausura vorzubereiten. Aber naja im Endeffekt war es eine echt schöne Verabschiedung.

Die Kleinen kurz vor ihrer Tanzaufführung

Letzte Vorbereitungen

Abschlussfoto der Großen

Und jetzt sind Sommerferien, und das mitten im Dezember. Man könnte vielleicht denken wir hätten nichts zu tun, weil die Kinder sowohl aus dem Kindergarten als auch aus dem Internat Ferien haben. Das dachten wir zumindest. Trotzdem ist im Sozialzentrum immer noch was los. Weil gerade Ferien sind, wurde ein Bauprojekt gestartet. Zehn Arbeiter aus der Stadt leben gerade im Zentrum, um den alten Zaun bzw. Hecke durch eine Mauer zu ersetzen. Für die Arbeiter muss natürlich auch gekocht werden. Normalerweise müssen immer einige Internatskinder in der Küche helfen, doch da diese gerade in den Ferien sind, fehlen in der Küche viele Hände und Sophia und ich müssen ziemlich viel mithelfen. Das heißt wir verbringen gerade meistens unsere Zeit damit in der Küche Kartoffeln zu schälen, was aber echt ganz lustig ist. Mit der Köchin gibt es aber auch echt viel zu lachen, sie ist immer gut drauf und ein bisschen tollpatschig, was bedeutet, dass wir meistens lachend in der Küche arbeiten und das Essen öfters mal verspätet auf den Tisch kommt. Wenn wir gerade nicht in der Küche mithelfen, sind wir mit Weihnachtsvorbereitungen beschäftigt. In der Adventszeit haben wir zum Beispiel einen Adventskranz gebunden. Um die Zweige zu finden, waren wir einen ganzen Nachmittag lang unterwegs, nur um dann am Ende festzustellen, dass wir eigentlich eine Fichte genau vor unserem Zimmer stehen haben…. Naja, wo wir die Zweige für den Christbaum holen konnten, wussten wir dann immerhin. Unser Tannenbaum bestand nämlich nur aus zusammengebundenen Zweigen, was aber trotzdem ganz gut aussah. Und wir haben natürlich auch ganz viele Plätzchen gebacken und verziert. Nachdem Brot gebacken wurde, konnten wir es ausnutzen, dass der große Holzofen noch warm war. Sogar unsere Lebkuchen sind geglückt, obwohl wir viel zu wenig Honig hatten.

Adventskranzbinden mit zwei Internatsjungen

Unser fertiger Adventskranz

Plätzchen backen im großen Holzofen


Dann kam aber trotzdem noch ein bisschen mehr Leben ins Internat und zwar dann, als zwanzig Kinder zum Internatsschnuppern gekommen sind. Jedes Jahr in den Sommerferien kommen für fünf Tage einige Kinder, um das Internatsleben kennenlernen zu können. Danach entscheiden sie dann, ob es ihnen gefällt und ob sie sich für das nächste Jahr einschreiben lassen wollen. In dieser Woche hatten wir auch einiges zu tun, denn die Kinder hatten sogar einen richtigen Stundenplan und wurden vormittags und nachmittags in den Hausaufgabensälen des Internats von uns und den Schwestern unterrichtet. Sonst mussten sie alle Aufgaben erledigen, die auch im alltäglichen Internatsleben erledigt werden müssen. Es gab also auch einen Küchen- und Putzdienst und die Kinder mussten ihre Wäsche waschen. Die Schnupperwoche war möglichst realitätsnah an das richtige Internatsleben angepasst worden. Sophia und ich waren in dieser Woche dann für die Freizeitgestaltung, den Englischunterricht und ein paar Bastelstunden zuständig. Wir haben wunderschöne Weihnachtskarten und Sterne gebastelt und den Kindern ein paar grundlegende englische Konversationen und Vokabeln beigebracht. Die Kinder kommen eigentlich alle vom Land und hatten so gut wie keine englischen Vorkenntnisse. Aber ich war wirklich überrascht mit welcher Freude die Kinder gelernt haben. Sie wollten nicht einmal eine Pause machen, weil sie so begeistert waren. Damit hätte ich ehrlich gesagt nicht gerechnet. Die Woche war wirklich schön und am letzten Tag gab es dann noch einen kleinen Tanzabend zur Verabschiedung.

Englischunterricht mit den Schnupperkindern

Weihnachtskarten basteln

Am Wochenende nach dem Internatsschnuppern waren auch schon die Promociones in Independencia. Also die Verabschiedung der Abiturienten. Es gab einen offiziellen Teil im Kolosseum und es war echt unglaublich, wie viele Leute da waren. Am Anfang waren die Sitzplätze noch ziemlich leer, aber welcher Bolivianer kommt schon pünktlich zu einer offiziellen Veranstaltung. Doch gegen Ende war das Kolosseum komplett gefüllt. Ähnlich wie in Deutschland wurden zu diesem Anlass ziemlich viele Reden gehalten, die besten Schüler geehrt und die beste Kleidung angezogen. Die traditionellen Mädchen hatten alle orangene Polleras an, die anderen eine rosa Bluse mit schwarzem Rock. Die Jungen kamen wie in Deutschland auch in Anzügen. Aber es gab auch Untedrschiede. Beispielsweise ist jeder Abiturient einzeln zusammen mit seinem Paten oder einem Elternteil auf einem langen roten Teppich zu Musik eingelaufen. Bei 83 Abiturienten hat sich das ein bisschen gezogen… Außerdem ist das Verhältnis zwischen Schüler und Lehrer ganz anders. Die Lehrer werden von ihren Schülern geduzt und mit ihrem Vornamen angesprochen. Zum Abschied hat jeder Lehrer jeden einzelnen Schüler umarmt. Und sowohl Lehrer als auch Schüler haben geweint. Danach wurden dann noch alle Abiturienten beglückwünscht und das natürlich wieder mit ganz viel Konfetti. Auch wir mussten und nun endgültig von den Abiturientinnen aus dem Internat verabschieden. Das war echt schade, weil es ziemlich wahrscheinlich ist, dass wir sie nie mehr wiedersehen werden. Am Abend wurde dann im ganzen Dorf gefeiert. In jeder Straße gab es mindestens ein Haus in dem eine promocion gefeiert wurde. Die Familien die vom Land kommen, haben sogar extra Häuser gemietet, um in Independencia zu feiern. Wir waren insgesamt auf vier verschiedenen Feiern. Dort wurde dann hauptsächlich gegessen. Aber natürlich auch echt viel getanzt. Es wurde bis in die Morgenstunden gefeiert. Im ganzen Dorf hat man an diesem Wochenende aus jeder Ecke ganz laut Musikchören können. Echt unglaublich, was für große Musikanlagen sich manche Familien ausgeliehen hatten. Ein ziemlich witziger Brauch hier ist, dass man den Abiturienten mit Nadeln Geldscheine an das Oberteil steckt, als Geschenk. Nachdem dann auch das andere Gymnasium in Independencia seine „Bachilleres“ verabschiedet hatte, kehrte dann wieder Ruhe im Dorf ein.

Abijahrgang 2019

Gratulieren nach dem offiziellen Teil

Advent und Weihnachten

Der Advent wurde hier nicht besonders gefeiert. Es war eher eine sehr ruhige Zeit. Oder eigentlich war viel los, aber mit Advent hatte das alles eher weniger zu tun. Adventskränze kennt hier auch fast keiner. Aber wir haben trotzdem einen gemacht und an jedem Sonntag „Wir sagen euch an…“ gesungen. Aber adventliche Stimmung ist bei mir eher nicht so aufgekommen. Dafür war es einfach zu warm und die Lebkuchen haben gefehlt. Am 24. Dezember konnte ich dann gar nichtglauben, dass Heiligabend schon vor der Tür stand. Die Zeit geht so schnell vorbei, das ist echt unglaublich. Heiligabend war dann wie der Advent: ziemlich ruhig. Von weißer Weihnacht war natürlich keine Spur. Es war angenehm warm, was aber nicht so wirklich zur Weihnachtsstimmung beigetragen hat. Am Nachmittag haben wir bei der Vorbereitung des Festessens mitgeholfen. Also wir mussten hauptsächlich Kartoffeln schälen, aber darin sind wir ja mittlerweile Profis. Dann haben wir zusammen mit Schwester Verena und ihren Mitbewohnerinnen das Abendessen eingenommen. Danach haben wir dann noch alle zusammen eine kleine Andacht gefeiert und ziemlich viele Weihnachtslieder gesungen. Und dann sind wir auch schon zum gemütlicheren Teil übergegangen: Plätzchen essen und Punsch trinken. Der Punsch war echt lecker und hat mich voll an Weihnachtsmarktstimmung erinnert. Anschließend gab es dann noch eine kleine Bescherung bevor es dann in die Mitternachtsmesse ging. Der 25. war dann erst der eigentliche Feiertag. Der wurde dann mit einem leckeren Mittagessen und einem Gottesdienst gefeiert. Weihnachten war dieses Jahr ganz anders. Viel besinnlicher, aber was mir vor allem aufgefallen ist, ist, dass in Deutschland immer so viel Wert auf materielle Dinge an Weihnachten gelegt wird. Das war hier ganz anders. Die eigentliche Bedeutung von Weihnachten steht hier viel mehr im Vordergrund. Das einzige nervige an bolivianischen Weihnachten ist die Dekoration. So viel Kitsch auf einmal ist echt unerträglich. Blinkende Lichterketten in allen Farben, die auch noch in den höchsten Tönen und im schnellsten Tempo Weihnachtslieder abspielen, sind dann doch ein bisschen zu viel des Guten. Aber trotzdem hatten wir ein sehr schönes Weihnachten, das wir sehr genossen haben. Auch wenn es so ganz anders war, als gewohnt. Was ich ganz vergessen habe zu erwähnen, ist unser Weihnachtsoutfit! Kurz vor Weihnachten wurden nämlich unsere Polleras und Blusen fertig. An Weihnachten waren wir also wie traditionelle Bolivianerinnen gekleidet. Und es ist echt witzig mit den Polleras durchs Dorf zu laufen. So gut wie jeder freut sich richtig darüber und spricht uns darauf an. Beim allerersten Mal mit Pollera auf der Straße haben wir uns noch ein wenig unwohl gefühlt, aber wir haben uns echt schnell daran gewöhnt.

Gemütliches Beisamensein bei Unsch und Plätzchen

Krippe in der Kirche

 

Unsere Polleras

Kartoffel schälen…

Jetzt ist es schon ein bisschen spät, um Frohe Weihnachten zu wünschen. Ich hoffe trotzdem, dass ihr alle schöne Feiertage hatten und gut ins neue Jahr 2020 startet. Ich lasse auf jeden Fall bald mal wieder etwas von mir hören, denn für mich geht es jetzt auf Reisen. Und ich glaube danach habe ich echt viel zu erzählen.
Also bis bald und ich wünsche euch allen einen guten Rutsch ins neue Jahr!
Eure Amelie